Geschichte des Heddernheimer Turnvereins, entnommen aus dem Festbuch zur
50 - jährigen Jubelfeier am 20. und 21. August 1910
Im Jahr 1860 war es eine kleine Scharr von Männern, welche dem Beispiel vieler anderer folgend sich zusammenschlossen, und zur Pflegung der Leibsübungen den Heddernheimer Turnverein gründeten.
Der Turnsache wurde in den vorausgegangenen Jahren, nachdem Sie schon früher aufgelebt hatte, wenig Aufmerksamkeit und Wert beigelegt und speziell die Behörden hatten die Vereine, welche schon früher ins Leben getreten waren, soweit es möglich war, zu beseitigen gesucht. In den 60er Jahren konnte nun von einem Aufleben der Turnsache gesprochen werden.
Im Gründungsjahr wurde der erste turnerische Besuch bei dem Turnfest des Mittelrheinkreises in Offenbach a. M., dem der junge Verein beigtreten war abgestattet. Ebenso wurden noch verschiedene Kreisfeste in Gießen, Kreuznach und Darmstadt besucht.
Auch dem im Jahre 1860 neu ins Leben getretenen Maingau gehörte der Verein als Gründer an.
Die erste größere Festlichkeit, die der Verein selbst abhielt war im Jahre 1863 eine Turnplatzeinweihung, welche im Hofe der Wenzel`schen Wirtschaft (später Westerfeld) abgehalten wurde, und an der sich eine große Anzahl auswärtiger Vereine beteiligte.
Der Turnbetrieb des Heddernheimer Turnvereins wurde besonders in den ersten Jahren des Bestehens auf den verschiedenen Plätzen, die grade dem Verein zur Verfügung gestellt wurden ( Wirtsgärten usw. ) mit Eifer aufgenommen. Für das fehlen in den Turnstunden wurde eine Strafe von anfänglich 1 Kreutzer später 6 Kreuzer festgesetzt.
In der gleichen Weise war ein steter Wechsel der Versammlungsräume zu verzeichnen.
Die damaligen Vereinsbeiträge wurden mit 12 und dann später mit 9 Kreuzer festgesetzt.
Im Jahre 1871 wurde erstmalig eine Gesangsriege im Verein gegründet, welche sich allerdings infolge zu geringen Interesses leider nur mehrjähriger Lebensdauer zu erfreuen hatte.
Schon in den ersten Jahren seines Bestehens hatte sich der Verein aus eigenen Mitteln ein Vereinsbanner, welches mit einer Vereinsfahne nicht verglichen werden kann zugelegt, welches bei Ausmärschen zu turnerischen Festlichkeiten voran getragen wurde.
Im Jahr 1875 wurde von den Jungfrauen Heddernheims eine neue Vereinsfahne gestiftet zu deren Kosten allerdings die Mitglieder des Vereins selbst erheblich beisteuerten.
Der immerwährende Wechsel der Turnplätze ließ endlich den Beschluss reifen, einen eigenen Turnplatz zu kaufen und wurde 1876 zur Ausführung gebracht . Der Platz befindet sich in der jetzigen Jahnstraße (Marc-Aurel-Straße) , die ihre Benennung einer Anregung des Turnvereins zu verdanken hat.
Turnplatz Hasenheide (Berlin) um 1870
Allerdings waren die Kassenverhältnisse des Vereins immer die denkbar ungünstigsten und die Mitglieder selbst mussten zu den Kosten dieses Kaufes in erheblichen Maße beisteuern, indem ein mehr monatlicher Extra Beitrag von 1 Gulden zu diesem Zwecke erhoben wurde.
Die Eintragung des Platzes musste auf den Namen eines Mitgliedes geschehen, da der Verein zu damaliger Zeit nicht die Rechte einer juristischen Person hatte.
Die Schulden die sich der Verein durch diesen Kauf aufgebürdet hatte, wurden bis zum Jahre 1883 gänzlich beglichen.
Im Jahre 1876 wurde dem Verein das Gaufest des Maingaus, welchem er kurz nach der Gründung beigetreten war übertragen.
Aus den Eintragungen im alten Protokollbuch ist ersichtlich, das man im Jahre 1877 dazu überging, den Turnbetrieb auch während der Wintermonate zu pflegen. Diese fanden im Saal der Wirtschaft zum "Deutschen Hof" statt.
Mit dem im Jahre 1880 in Frankfurt a.M. abgehaltenen Deutschen Turnfest nahm der Mitgliederstand in sehr großem Umfang zu und auch das Turnen selbst erhielt durch die entstehende Anregung einen gewaltigen Aufschwung.
1881 wurde wieder die Anregung gebracht, die schon früher bestandene Gesangsriege wieder aufleben zu lassen und dieser Vorschlag zur Tatsache umgesetzt.
Das Vereinsinventar wurde erstmalig im Jahre 1884 zur Feuerversicherung angemeldet.
1887
Schon lange hatte die deutsche Turnerschaft gegen die wilden Verbände, welche sich vielfach neben den Gauverbänden gebildet hatten, geeifert, da sie eine Schädigung der Gauverbände bedeuten. Im Jahre 1887 wurde deshalb vom Gau bestimmt, das die ihm angehörigen Vereine aus dem Main - Taunus - Bund, dem auch unser Turnverein seit einer Reihe von Jahren angehörte, austreten müssten. Dem wurde folge geleistet.
Die Schaffung eines eigenen Heims, einer Turnhalle, war schon lange der Wunsch der Vereinsmitglieder gewesen und so wurde der Vorschlag gemacht den Verkauf von Zigarren ins Leben zu rufen und aus dem Überschuss einen Turnhallen - Kauffond zu bilden. Dieser Vorschlag wurde angenommen und auch unter lebhafter Beteiligung der Mitglieder sowohl beim Verkauf als auch als Abnehmer zur Ausführung gebracht. Nach längerer Zeit war dadurch ein Gewinn von ca. 2500 Mark zu verzeichnen.
Um das Vereinsvermögen weiter zu verbessern, und hiermit der Turnhallenbaufrage immer näher zu treten, hatte ein Vereinsmitglied 1889 die Idee von Ihm selbst komponierte Lieder an die deutschen Turnvereine zum Kauf zu senden, mit dem Hinweis das der Überschuss zur Erbauung einer Turnhalle Verwendung finden sollte. Das konnte aber leider nur einen kleinen Gewinn einbringen.
Im Jahre 1891 wurde lange kein Ausrichter für die Gauturnfesttage gefunden. Der Turnrat beschloss das Fest in Heddernheim auszurichten. Der Verlauf des Festes war in allen Teilen als ein sehr günstiger zu bezeichnen und auch der Rechnungsabschluss für unsere Kasse war ein sehr guter, den der Überschuss betrug insgesammt nahezu 750 Mark.
Die Mitgliederbeiträge , deren Höhe im Laufe der Zeit verschiedentlich gewechselt hatten und zur Zeit 50 Pfennig pro Monat betragen, waren seither Samstags im Vereinslokal erhoben worden.
Im Jahr 1892 wurde der Beschluss gefasst, die Beiträge im Hause der Mitglieder in jedem Monat einkassieren zu lassen.
Ebenfalls 1892 wurde innerhalb des Vereins eine Unterstützungskasse gegründet. Sie soll durch eigene Krankheit in Not geratenen Mitgliedern helfen. Auch werden die im Turnbetrieb entstandenen Unfälle berücksichtigt, welche nicht durch leichtsinnige Handlungsweise herbeigeführt worden sind. Als vierteljährlichen Beitrag werden 20 Pfennig erhoben. Trotz dieser geringen Beisteuer hat die Kasse bis jetzt nur Segensreich gewirkt, und es bleibt zu hoffen das diese Einrichtung auch für die Zukunft erhalten bleibt.
Es wurde zum zweiten mal der Versuch unternommen den Verein als juristische Person eintragen zu lassen, was aber wieder von der Behörde abgelehnt wurde.
An Stelle der im Jahre 1880 angelegten Turnkleidung wurde im Jahre 1893 eine neue Kleidung gewählt, sie bestand nun aus Trilljacke und weißer Hose.
Der Hauptgrund vom Turntuch abzugehen war der weitaus niedere Preis der neuen Kleidung. Nun konnte man bei Turnfesten und etlichen Anlässen in einheitlicher Kleidung erscheinen.
Da sich der bisherige Turnplatz in der Jahnstraße als zu klein erwies, und eine Abtretung für den Straßenbau zu erwarten war, wurde 1893 beschlossen einen größern Platz zu erwerben und den Alten zu verkaufen. Es wurde schließlich ein geeignetes Grundstück in der Altkönigstraße ( Habelstraße) gefunden.
Der Hauptgrund für diese Veränderung war jedoch der Gedanke, sich ein geeignetes Gelände für eine später zu errichtende Turnhalle zu sichern. Der Platz wurde 1894 unter großer Beteiligung der hiesigen Vereine und der gesamten Einwohnerschaft eingeweiht.
Die Vereinsfahne, welche anlässlich des Begräbnisses aus dem Archiv entnommen wurde, war von ruchloser Hand durch Messerschnitte beschädigt worden. Leider war es nicht gelungen die Spur des Täters zu entdecken, obwohl bei der Staatsanwaltschaft sofort Anzeige erstattet wurde.
Infolge von Streitigkeiten im Verein erfolgte im Jahre 1896 der Austritt von ca.50 Mitgliedern. Diese gründeten einen neuen Turnverein (Turnverein Vorwärts - Heddernheim .
Da bei der Trennung fast alle turnenden Mitglieder in Verlust geraten waren, wurde von älteren Vereinsmitgliedern die Leitung des Turnbetriebes übernommen. Es wurden jüngere Kräfte angeworben die mit großem Eifer trainierten. So konnte im nächsten Jahr beim Gaufest sowohl Einzelturner als auch eine Musterriege gemeldet werden. Der Verein stand somit in kürzester Zeit in turnerischer Beziehung wieder voll auf der Höhe.
Das Verhältnis zum neuen Turnverein war in den ersten Jahren ein sehr gespanntes, doch wurden im Laufe der Zeit die Gegensätze zum größten Teil ausgeglichen. Heute kann das Verhältnis schon fast als freundliches Nebeneinanderarbeiten bezeichnet werden.
Im Jahre 1898 wurde zum dritten Mal eine Eingabe zur Erlangung der Rechte einer juristischen Person gemacht was jedoch wieder abgelehnt wurde. Die Eingabe wurde unter Zuhilfenahme eines Anwaltes wiederholt der im Laufe der Verhandlung nachweisen konnte das der Verein seinen Sitz im ehemaligen nassauischen Lande hatte, und nach dem jetzt noch geltenden Gesetz sich selbst die Rechte einer juristischen Person zulegen kann. Dies wurde schließlich vom Gericht als rechtsgültig anerkannt. Jetzt konnte endlich der Vereinsgrundbesitz auf seinen eigenen Namen eingetragen werden.
Jetzt konnten endlich die Vorbereitungen zum Bau einer Turnhalle begonnen werden. Bei der Mitgliederversammlung 1898 wurden zum Vorstand noch 10 Mitglieder dazu gewählt die einen Turnhallenbau - Ausschuss bildeten.
Die erste Arbeit dieses Ausschusses war die Anfertigung und Verausgabung von Anteilsscheinen die im Wert von 25,10 und 5 Mark den Mitgliedern und Gönnern zum Kauf angeboten wurden.
Durch die Ausgabe dieser Anteilsscheine wurde die Summe von ca.5000 Mark aufgebracht.
Der gewählte Bauausschuss wurde bei der Generalversammlung 1899 ermächtigt zum Bau einer Turnhalle nach den von einem Architekten ausgearbeiteten Plänen zu schreiten.
Der Bau verlief gut so das die Turnhalle schon im Jahre 1900 fertig gestellt wurde, und die Einweihungsfeier geschehen konnte.
Das eigene Heim war geschaffen, jedoch hatte sich der Ausschuss mit anderen Angelegenheiten zu befassen. Es hatten sich einige Schulden gebildet die abbezahlt werden mussten. Der Antrag auf Erteilung der Wirtschaftskonzession wurde verschiedentlich abgelehnt. Es wurde beim Bezirksausschuss geklagt und so erhielt man eine Schanklizenz in beschränktem Maße. Erst einige Jahre später erhielt sie in mündlicher Verhandlung eine Erweiterung. In dem halben Jahr, in welchem dem Verein noch keine Konzession erteilt war musste er sich zu helfen suchen. Die Getränke wurden gratis ausgeschenkt und den Besuchern überlassen freiwillig in aufgestellte Sammelbüchsen eine Beisteuerung zum Turnhallenbau zu leisten.
Nun stand dem Turnbetrieb jederzeit eine Stätte zur Verfügung in dem das Training ohne durch Witterungseinflüsse beeinflusst zu werden statt finden konnte. Die Ausbildung sowohl als auch das Anwachsen der Mitgliederzahlen nahmen nun in den folgenden Jahren einen gewaltigen Aufschwung.
Ebenso war zu dieser Zeit ein erfreuliches Anwachsen der Gesangsabteilung, welche seit 1881 stets zum besten des Vereins bei Festlichkeiten und bei Familienanlässen freudiger und trauriger Art gewirkt hatte zu verzeichnen.
1906 war es den Sängern vergönnt, die Feier ihres 25jährigen Bestehens unter lebhafter Beteiligung der übrigen hiesigen Vereine sowie auswärtigen Gesangsriegen zu begehen.
In neuerer Zeit, in der sich endlich die unumstößliche Tatsache in immer weiteren Kreisen rumgesprochen hat, daß Turnen dem weiblichen Geschlecht die gleichen Vorteile bietet wie den Männern, entstanden überall in den Turnvereinen Frauenabteilungen. So auch 1908 bei dem unsrigen.
Die ersten Turnerinnen im Verein : Frida Braun und Lina Urban
Unter fachmännischer Leitung hat sie in kurzer Zeit Ihres sehr gute Fortschritte gemacht und fast eine Mitgliederzahl von 60 Personen.
Auch das Schülerturnen wurde 1908 wieder aufgenommen, nachdem schon vor einigen Jahren der Versuch hierzu gemacht worden war, jedoch infolge eines Verbots der Schulbehörde wieder aufgegeben werden musste. Der neue Zuwachs bedeutet die Vorbildung von Kräften für das spätere Vereinsturnen und dies ist als ein Lebenselement der Turnvereine zu betrachten.
So haben wir nun in kurzen Umrissen versucht, den Werdegang des Heddernheimer Turnvereins zu schildern. Gar manches wäre noch der Erwähnung Wert gewesen, jedoch der Rahmen den wir uns gezogen haben, ist zu eng, um allzu sehr auf Einzelheiten näher einzugehen. Heute ist es dem Verein vergönnt, das Fest seines 50jährigen Bestehens in würdiger Weise zu begehen.
Der Verein ist seit seiner Gründung stets ein eifriges Mitglied der deutschen Turnerschaft gewesen und hat sich als solches stets an den Gaufesten, Kreisfesten und dem größten Teil der deutschen Turnfeste mit besten Erfolg beteiligt.
Möge dem Heddernheimer Turnverein noch eine recht lange Lebensdauer beschieden sein und er jederzeit in den bereits betretenen Bahnen schreiten. Möge es dem Verein ferner vergönnt sein, stets geeignete Männer und Führer zu finden, denen es gelingt, den Verein in dem jetzt begonnenen neuen Zeitabschnitt mit turnerischer Selbstlosigkeit zu leiten und vorwärts zu bringen.
Allen aber die sich um die Turnsache Verdienste erworben haben, allen Freunden und Gönnern des Vereins ein kräftiges
Gut Heil